Appell zum Volkstrauertag

Lothar Büringer, Edmund Bruckner, Christian Porsch und Roland Steininger legten einen Kranz am Ehrenmal in Speichersdorf nieder. Foto: Dr. Wolfgang Hübner

 

Wir müssen den „Verschwörungstheoretikern und Menschen, die die aktuelle Krise dazu nutzen möchten, um uns zu spalten und ihre kruden Ideologien anzubringen, entschieden entgegentreten“, appellierte Bürgermeister Christian Porsch bei den Gedenkfeiern zum Volkstrauertag beispielhaft für friedensgefährende Entwicklungen in der Gesellschaft.

Den Opfern der beiden Weltkriege, von Flucht und Vertreibung, sowie von Terror und politischer Verfolgung gedachte am Volkstrauertag die Bürgerschaft von Alt-Speichersdorf und Neuem Zentrum. Es waren „die schlimmen Tragödien des 20. Jahrhunderts. Der erste Weltkrieges 1914-1918,  der vor 103 Jahren sein Ende fand, und die noch grausameren Geschehnisse des zweiten Weltkrieges, der vor 83 Jahren unsägliches Leid brachte“, erinnerte Vorsitzender Edmund Bruckner. Coronabedingt wurde auf den Gedächtnismarsch verzichtet und auf die Einhaltung der 3 G Regel geachtet. Nach einem Gottesdienst in der Christuskirche mit Pfarrer Hannes Kühn fand am Mahnmal auf dem Kirchplatz eine beeindruckende Gedenkfeier statt. Der Soldaten- und Kameradschaftsverein, die Reservisten und die Feuerwehr von Speichersdorf und Zeulenreuth waren zur Ehrenwache und zum Ehrensalut angetreten. Musikalisch wurde die Feierstunde vom Posaunenchor um Alfred Kreutzer mit Tylman Susatos Ronde IV Mon Amie und dem Lied „Näher, noch näher“ von G. H. Morris umrahmt. „Du darfst das nicht vergessen“ mahnte Sebastian Bäß in seinem Gedicht von Pia Knappheide.

Drohende Spaltung

Den Gefallenen und Vermissten der beiden Weltkriege sowie den Opfern der Auslandseinsätze der Bundeswehr und der Opfer von Terror und Gewalt ein gebührendes Andenken zu bewahren, sei mindestens genauso wichtig, wie die junge Generationen darüber aufzuklären, wohin übersteigender Nationalismus, wohin Ausgrenzung, Intoleranz und Rassismus führen können, so Porsch in seiner Gedenkrede. Die Gesellschaft drohe sich weiter und dramatischer zu spalten. Die Zahl der extremistischen Vorfälle sowie der Straftaten von Gruppierungen, die dafür auch Corona instrumentalisierten, würden zunehmen, auch in Oberfranken. Bei aller Meinungsfreiheit darf Kritik nicht in Sachbeschädigungen, besprühten Hauswänden, ausgrenzenden und bedrohenden Internetposts oder gar in Gewalt münden. Zunehmende Tendenzen zu rechtspopulistischen Parteien, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung gefährden, bestätigten die Wahlergebnisse zur Bundestagswahl auch in der Gemeinde Speichersdorf, so das Gemeindeoberhaupt. Gerade vor dem Hintergrund eines Auseinanderdriftens von Bevölkerungsgruppen sei es so wichtig, sich der kriegsbedingten Entbehrungen und Schicksale früherer Generationen bewusst zu sein.

Wichtige Erinnerungskultur

Porsch berichtete von einem Gespräch mit einer 90-Jährigen Bewohnerin des Luise-Elsässer-Hauses Ihre Kindheit und Jugendzeit war geprägt von Flucht und Vertreibung, von Viehwagons als letzte Rettung und Tieffliegerangriffen, von der blanken Angst ums Überleben. Die Nachkriegsgenerationen in einem vereinten Europa seien vor solch traumatischen Erlebnissen verschont geblieben. Weil die Ereignisse weit weg und die Kriegsgenerationen mittlerweile größtenteils verstorben seien, sei der Volkstrauertag eine wichtige und nicht wegzudenkende im gemeindlichen Kalender, die Berichterstattung rund um diesen Tag, die Kränze als sichtbares Zeichen vor den Ehrenmälern und allen voran die Arbeit der Soldaten- und Kriegerkameradschaften im Bereich der Erinnerungskultur wichtiger denn je. Aufzuzeigen, wohin sinnlose Machtansprüche, nationale Egoismen oder die Durchsetzung rassistischen Gedankengutes führen können, sei für alle Bürger eine zunehmend wichtiger werdende Aufgabe. Demokratie müsse wehrhaft bleibt und Rassismus, Ausgrenzung und Nationalismus dürfe keinen Nährboden finden, mahnte der Bürgermeister.

Einsatz für die Demokratie

Er appelliert, sich für die Demokratie einzusetzen, Verschwörungstheoretikern und Menschen, die die aktuelle Krise dazu nutzen möchten, um zu spalten und krude Ideologien anzubringen, entschieden entgegentreten, und darum zu kämpfen, dass auch die nachfolgenden Generationen in Wohlstand, Frieden und einem vereinten Europa aufwachsen können. „Wohin das Gegenteil führen kann, das mahnen uns die Gefallenen und Vermissten der beiden Weltkriege. Mögen wir Ihnen stets ein ehrendes Andenken erhalten“, so Porsch. Anschließend legten der Bürgermeister, die Kameradschaftsvorsitzenden Edmund Bruckner und Lothar Büringer sowie Roland Steininger am Mahnmal je einen Kranz nieder. „Lass uns endgültig Abschied nehmen von nationalistischen Größenphantasien, von Feindbildern und Vergeltungsgedenken, vom Missbrauch des christlichen Glaubens zur Rechtfertigung zerstörender Gewalt. Gib dass wir auf die steinernen Mahnmale des Krieges als lebendige Zeugen des Friedens antworten“, so Pfarrer Hannes Kühn. Den gefallenen Soldaten galt der letzte Gruss, als sich die Fahnen senkten und der Posaunenchor das Lied „Ich hatt´ einen Kameraden“ anstimmte.

Weitere Feiern

Der Toten der beiden Weltkriege wie der Krisenherde in aller Welt gedachten auch die Soldatenkameradschaften Kirchenlaibach, Windischenlaibach, Haidenaab/Göppmannsbühl, Wirbenz sowie die Bevölkerung von Frankenberg in verschiedenen Gottesdiensten und Gedenkfeiern an den Mahnmalen. Die Soldatenkameradschaft Ramlesreuth gedenkt der Toten und Vermißten von Krieg, Terror und Gewalt traditionell eine Woche später, am Samstag vor dem Totensonntag (16 Uhr).

Bilder und Text: Dr. Wolfgang H übner

Sebastian Bäß trug ein Gedicht am Ehrenmal vor. Foto: Dr. Wolfgang Hübner